Von Sri Lanka nach Djibouti: Eine Nachlese

Jetzt, vor Anker im sicheren Hafen von Djibouti haben wir endlich Zeit, ein paar Gedanken über unsere Passage des Indischen Ozeans und des Golf von Adens zu reflektieren. Und ein paar Bilder gibt es auch.

Frohe Ostern mitten in der "High Risk Area": Suchbild mit Osterdeko und Abwehrutensilien

Frohe Ostern mitten in der „High Risk Area“: Suchbild mit Osterdeko und Abwehrutensilien

In der Rückschau sind wir mit unserer Entscheidung durch die vormals von Piraten heimgesuchten Gewässer des nordwestlichen Indischen Ozeans und des Golfs von Aden zu segeln. Die Alternativen wären die Passage rund um das Kap der Guten Hoffnung oder der sehr teure Transport mittels Frachtschiffs gewesen (zwischen 30 und 45 TEURO).

Grundsätzlich haben wir das Risiko als mittelmäßig eingeschätzt. Nach den offenbar erfolgreichen Einsätzen einer internationalen Koalition zur See und zu Land sind die Aktivitäten von „professionellen Piraten“ weitgehend beendet. Eine Analyse der einschlägigen maritimen Informationssysteme zeigt auch, dass seit über 20 Monaten kein Angriff auf hoher See stattgefunden hat. Die Militärs raten trotzdem von einer Passage ab, da Yachten – anders als große Frachter – nur sehr schwierig vor Angriffen zu schützen sind. Wir sind bei unserer Entscheidung trotzdem davon ausgegangen, dass wir nicht mit koordinierten Angriffen gut ausgerüsteter, aggresiver Piraten rechnen müssen. Dagegen hielten wir einen Gelegenheitsüberfall durch einen der hier üblicherweise mit Sturmgewehr bewaffneten Fischer für möglich.

Wir waren daher froh, dass wir mit zwei Booten in einem engen Konvoi von Galle bis Djibouti segeln konnten. Drei Boote sind für diese Tätertypen schon aus der Ferne ein dicker Brocken, zudem könnten wir uns im Falle verdächtiger Annäherungen unterstützen. Entsprechende Absprachen galten während der Fahrt und sind auch in zwei Fällen zum Einsatz gekommen. Die betroffenen Boote haben nach vormalingen Annäherungen abgedreht und uns in großem Bogen umfahren.

Alytes haben wir dazu etwas gehärtet und einen individuellen Plan (also zunächst auf Alytes und uns bezogen) definiert und ein wenig durchgespielt. Mina ist bei Alarm sofort unter der Wasserlinie, wer ruft die anderen? Wer präsentiert sich und abschreckende Gegenstände (in unserem Fall ein „Sturmgewehr“) wie es die bewaffneten Wachen auf einigen Schiffen tun? So fühlten wir uns gut vorbereitet und durch die Fahrt im Konvoi nochmals gesichert.

Wir haben die Konvoi-Fahrt als angenehm und wenig anspruchsvoll erlebt. Die von manchen Seglern als schwierig beschriebene Segelei in Formation ist uns die meiste Zeit gut gelungen. Manchmal ist man schon etwas ungeduldig, wenn eines der Boote nicht alles aus dem Material herauszuholen scheint und droht zurückzubleiben. Am Ende waren aber alle Teilnehmer hilfsbereit und so konnten wir die Vorteile des Konvois eigentlich kontinuierlich zur Wirkung bringen. Die Pläne für die Konvoi-Routine und mögliche verdächtige Annäherungen oder gar Angriffe haben wir in lockerer Atmosphäre vor der Abreise diskutiert und gemeinsam vereinbart. Während der Sichtung der verdächtigen Schiffe haben wir als Gruppe schnell reagiert und vielleicht damit die potenziellen Angreifer abgeschreckt. Wir werden leider nicht erfahren, ob sie nicht ohnehin abgedreht wären (auch wenn das Verhalten dagegen sprach).

Im Rückblick sind wir sicher: Wir würden es in dieser Formation und unter diesen Bedingungen wieder tun, auch in anderen Teilen der Welt. Der Konvoi hat geholfen, das entschiedene, aggressive Reagieren auf jedwede Annäherung sicher auch.

Die letzten Meilen waren dann  aber nochmals spannend: Kurz vor dem Ausgang des IRTC meldet sich ein chinesisches Kriegsschiff. Erst bei Alytes, später bei Tinkerbell (wir fuhren zu der Zeit in einem umgekehrten Dreieck, Kwispel bildete die nachhängende Spitze). „Be advised, you have two suspicious skiffs with four crew on board in front of you“. Wir versuchen die Boote zu sichten, aber wir können nichts sehen. Ich frage bei den Chinesen nach, ob sie uns eine Peilung oder besser noch eine Position geben können. Tatsächlich haben sie eine Position. Die Boote liegen etwa drei Meilen steuerbord voraus. Wir halten in der sich senkenden Nacht von allen Booten aus scharfen Ausguck, können am Ende aber kein Skiff sichten. Die Spannung bleibt aber durch die Nacht bestehen.

Aufregender wird es dann am Ausgang des IRTC. Unser Kurs auf Djibouti führt uns nach dem Korridor weiter westlich. Aber von Norden kommen, wie an einer Perlenschnur, ein Tanker nach dem anderen. Dazwischen wirklich große Containerschiffe. Sie biegen in den Korridor ein. Wir müssen irgendwie zwischen diesen Giganten durchkommen. Sie sind zwischen 250 und 400 Meter lang, fahren mit bis zu zwanzig Knoten und haben einen Bremsweg, der sie bei einer Vollbremsung in Somalia vermutlich irgendwo vor Kapstadt zum Stehen bringen würde. Der Konvoi ist für diese Situation nicht die beste Formation und wir lösen ihn kurzfristig auf. Es funktioniert wie so häufig mit Funkkontakt zu den Berufsschiffen und einem entspannten Ausweichmanöver eines Riesenfrachters.

Einige Stunden später werfen wir nach der Anmeldung bei der gründlichen Küstenwache Djiboutis im Freihafen gegen zwei Uhr in der Nacht den Anker. Nach achtzehn Tagen auf See sind alle hundemüde. Wir verschieben sämtliche Ankerbiere auf den nächsten Tag und fallen wie die Steine in unsere Kojen.

Flaute auf dem Indik, etwas östlich der Malediven

Flaute auf dem Indik, etwas östlich der Malediven

Westlich der Malediven nimmt Tinkerbel unter dem riesigen Genaker Fahrt auf

Westlich der Malediven nimmt Tinkerbel unter dem riesigen Genaker Fahrt auf

Convoi-Treffen etwas östlich der Malediven

Convoi-Treffen etwas östlich der Malediven

Besuch auf dem Ozean: Zeitweilig kommen Luna und Nika zum Spielen

Besuch auf dem Ozean: Zeitweilig kommen Luna und Nika zum Spielen

Kwispel kuschelt mit einem Containerfrachter

Kwispel kuschelt mit einem Containerfrachter

Alytes südlich von Socotra mit Code Zero und Großsegel

Alytes südlich von Socotra mit Code Zero und Großsegel

Neuer Wind, neue Gaderobe: Parasailor in voller Schönheit

Neuer Wind, neue Gaderobe: Parasailor in voller Schönheit

Für das Abendessen ist gesorgt. Das war der kleinste von dreien.

Für das Abendessen ist gesorgt. Das war der kleinste von dreien.

Boote, die Boote transportieren, dazu mindestens sieben 200-Literfässer an Deck: So sehen Piraten aus

Boote, die Boote transportieren, dazu mindestens sieben 200-Literfässer an Deck: So sehen Piraten aus

Mimikry: Aussehen als wäre man wehrhaft ist die halbe Miete

Mimikry: Aussehen als wäre man wehrhaft ist die halbe Miete. Das Boot hat zumindest abgedreht.

 

Begegnungen zwischen den Arten: Der indische Helikopter beschnuppert Tinkerbel

Begegnungen zwischen den Arten: Der indische Helikopter beschnuppert Tinkerbel

Guardian Angels: Die Indische Marine besucht uns. Man beachte die maskulin-pinke Handy-Hülle

Guardian Angels: Die Indische Marine besucht uns. Man beachte die maskulin-pinke Handy-Hülle

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15 Gedanken zu „Von Sri Lanka nach Djibouti: Eine Nachlese

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Liebe Andrea,
      herzlichen Dank für die Verlinkung. Habe dadurch Euren Thread gerade erst gefunden. Wenn sich TO-Mitglieder zum Thema melden wollen, stehen wir gern zur Verfügung.

      Euch Hals- und Beinbruch am Horn. Ich finde es ja auch von Land her ein ordentliches Abenteuer. Respekt!
      Cheers,
      Fritze

  1. karin and tony stubbs

    Hello sailors on Alytes, it was a big surprise and fun to read your blog and info. We know yacht Kwispel because we stayed together in Labyan Marina Borneo last year.. Don’t have their email address. The reason we contact you is because you were the only one of the three yachts which we could send mail to, thank you for that. We have two questions in regards to your trip:
    How did you communicate with the authorities, SSB radio or VHF or Satelite phone? We have a very old SSB and a faulty antenna tuner. Don’t like so much to spend money on new gear for such a short trip if it is not necessary.
    Where did you organize this trip with the two other yachts? Already in Malaysia or did you meet up under way ? We would love to make this same trip next year, back to Europe. Tony is English and Karin is Dutch. We have to find some other yachts to join us.
    Last question, was any of the three boats „armed“? Saw the picture but it could have been fake? Maybe I am naive? Anyway, if you answer thenk you for that, I am sure you are very bussy reaching Turkey. Fair winds to you, Karin and Tony

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Dear Karin, dear Tony,
      thank you very much for your questions, which I do not find naive at all. We also were a bit uncertain before we asked many other sailors and did our research. You must have had some fun reading this German post in Google Translate.

      About your questions:
      Communication to the authorities and naval forces
      The most convenient way to communicate long range was our Iridium sat-phone. Long Range communication ist most likely necessary in the eastern part of the high risk area (HRA), where shipping and naval forces are too spread out for VHF communication. Obviously, there are still international emergency frequencies for SSB (ours even features DSC), but you will get a clearer line with the sat-phone. Also the coordinating center of the HRA (UKMTO, check out their website) does publish a phone number but no SSB frequency. We did call them in one event of a suspicious approach, they even called back after some connection issues.
      We also reported daily to UKMTO via mail (position reports) after entering the HRA.
      For the communication to the forces (planes, helis and warships) in the area VHF is just perfect. VHF communication with these elements will most likely start when you are approaching the entrance of the „Internationally Recognized Transit Corridor (IRTC). Also an AIS transponderis helpful, but not mandatory.
      So if you ask me: do not invest in SSB, try to get hold of an iridium handset or the like.

      Organizing the convoy:
      Well, the convoi was really not 100 percent necessary. Some boats made the route without. The convoi does offer social contact and a bit more safety in case an armed fishing boats or some other „piracy amateur“ senses easy prey and takes a shot (they will most likely not go for a convoy). The more professional pirates would be happy to catch more than one boat in a single run. But we met our friends from Tinkerbel in Sri Lanka and organized spontaneously. Kwispel joined in a bit later. Make sure you really like the people you sail with. Otherwise all the compromises (speed and course, mainly) you will need to make in a convoi can be a bit frustrating. Make sure to agree on the most fundamental issues for the convoy: Course, minimum speed, maximum speed and support in case one boat is approached. All boats should be of more ore less equivalent performance.

      We did not have firearms on board, but were quite well prepared with improvised weapons. The gun you see in one of the pics is actually a self made fake. It was built in a day by using an old piece of wood, some coke cans for metal parts and a piece of old antenna to resemle the 5.56 cal. barrel. It looked so bad-ass that both an ex-airborne soldier as well as a current french special forces operator we met were impressed when not too close to the „weapon“. They laughed after checking it out from clos-up. We used it to deter boats from a distance. It worked quite well.

      If you have more questions, please do not hesitate to ask.

      Hope that helped,
      kind regareds,
      Fritze

  2. Dorothea

    Liebe Abenteurer, haben Euren Bericht im Internet gefunden und mit Spannung gelesen – vielen Dank für die Details! Wir reisen seit letztem Jahr um die Welt und machen uns im Sommer wieder nach Deutschland auf. Das Budget fürs Weiterreisen muss wieder angespart werden:-) Wir werden in den nächsten Wochen unseren IYT Competent Crewmember Segelschein machen und würden gerne auf einem Segelschiff Richtung Europa diese Route nehmen wollen. Da ihr bereits diese Strecke zurückgelegt habt – wisst ihr zufällig, wo wir ein Boot finden, das diese Strecke absolviert, Platz hat und etwas Hilfe von zugegebenermaßen noch unerfahrenen Seglern braucht? Liebe Grüße von den Philippinen, Doro und Till

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Liebe Dorothea,
      vielen Dank für Dein freundliches Feedback!
      Ich bin nicht ganz sicher, wann Ihr die Strecke segeln wollt. Ich denke, dass der Süd-Monsun schon eingesetzt hat, so dass sehr wenige Boote nun von Asien nach Europa segeln werden. Auch das Rote Meer wird ab Mai noch biestiger, als es ohnehin schon ist.
      Entsprechend kenne ich auch keine Boote, die zur Zeit segeln.
      Euch trotzdem viel Glück und viel Erfolg bei Eurem Schein!
      Cheers aus Marmaris,
      Fritze

      1. Dorothea

        Lieber Fritze, vielen Dank für Deine Antwort! Wir haben uns das mit dem Südmonsun schon gedacht, daher muss die Strecke noch etwas warten..
        Wir sind demnächst in Taiwan und schauen mal, ob wir dort etwas mehr Segelerfahrung sammeln können – falls nicht, muss das Mittelmeer dann her:-) Euch noch eine tolle Weiterreise!

  3. michel weber

    Hallo Abenteurer,

    mein name ist Michel und ich habe diese tour ebenfalls vor.
    ich danke euch erstmal für den Bericht der mich neben arc und imb weiter aufhorchen lässt.
    ich würde mich über email Kontakt freuen um mehr zu erfahren.

    bis dahin weiter guten wind
    michel

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Lieber Michel,
      habe Dir gerade eine Mail mit den Kontaktdaten gesendet. Melde Dich gern für einen Austausch.
      Habe zugegeben den Kommentar zu ARC und IMB nicht ganz verstanden, vielleicht willst Du mir das erklären?

      Herzliche Grüße aus dem heute lebhaften Suez Yachtclub (gestern und heute sind acht Boote aus dem Roten Meer zum Transit nach Norden angekommen),
      freue mich auf Deine Mail,
      Fritze

  4. Constantin

    Sehr beruhigend, dass Ihr safe and sound seid. Haben viel an Euch gedacht, während wir die Museen in Auckland unsicher gemacht und unser 9 monats Provisioning gemacht haben.
    Euch weiterhin alles Gute.
    Constantin und Crew

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Lieber Constantin,
      vielen Dank für die „Erleichterung“. Es war ein wunderbarer Segeltörn, die Strecke ist prima zu fahren zu dieser Jahreszeit. Die Piraterie war natürlich ein kleiner Nervenkitzel. Doch dank ernsthafter Vorbereitung, guter Ausrüstung und natürlich der unermüdlichen Wachsamkeit der Militärs vor Ort haben wir uns zu keiner Zeit wirklich bedroht gefühlt.

      Euch wünsche ich schon jetzt einen super Start in Richtung Norden. Genießt in vollen Zügen. Und versucht den ewigen Müll in Indonesien zu ignorieren. Dahinter verbirgt sich ein tolles Land.

      Liebe Grüße an Dich und Deine Mädels,
      Fritze

  5. Emmy+ Walter Motschiunig

    Hallo Ihr Helden!
    Haben von der Venus Euren Blog bekommen. Verfolgen Euch mit viel Spannung,wollen doch 2017 Eurer Fährte folgen. Wenn es recht ist wollen wir später noch über Mail mit Euch in Kontakt treten.viel Spaß bei der Weiterfahrt und mit allen Ohren nach Suez. Walter + Emmy SY Calamares

  6. Jørn

    Ihr seid so geil!!! Womit habt Ihr denn das Sturmgewehr gebastelt? Kann ich das haben?
    Und hattet Ihr schon immer ein Code Zero – oder ist das Beutegut aus Fernost?

    Viel Wind, warme Nächte und eine schöne Weiterfahrt. Lasst Ägypten am Besten aus – die sind da gerade nicht so gastfreundlich zu Europäern. Es sei denn, ihr braucht Eure Ohren nicht mehr …

    Jørn

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Danke, danke!
      Den Code Zero haben wir tatsächlich schon seit Anbeginn der Reise. War Teil des Paketes. Wenn ich heute ein Schiff für die Umsegelung auf der Barfußroute konfigurieren würde, wäre er (und ein gutes Vorwindsegel) wieder dabei: Einfach zu bedienen und bei leichtem Wind (ab etwa 7 Knoten) von 50 – 120 Grad scheinbarem Wind ein Muss. Wenn man vorankommen will. Uns hat er bei ruhiger See mindestens die Hälfte der Windgeschwindigkeit in Speed gebracht. Nicht schlecht für eine 10-Tonnenkiste und eine Crew, die nicht gerade regattakönigstauglich ist.

      Das Gewehr? Wie es in Sri Lanka so üblich ist: Eine LKW-Achse in der Drehmaschine zurechtgefräst, ein wenig Schweißen und eine alte Dachlatte für den Schaft. Die Magazine aus tamilischen Überbeständen. Die Halunken haben ja immer einen Wolframnagel ins Blei eingegossen :).

      Vielen Dank für die guten Wünsche! Morgen geht es im Laufe des Tages weiter. Wir werden dank einem französischen Ankernachbarn wohl spezifischen Schutz der französischen Special Forces haben. Einer der Jungs war bereits zur Vorbesprechung an Bord.

      Herzliche Grüße auch an Sabine und Fiene, auf bald,
      Fritze

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